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- Teil III. Meine Eltern und wir Geschwister. Der Erste Weltkrieg.
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- Erzählt von
- Erhard Sommerbrodt
- Oberstleutnant a.D.
- geb. am 28.12.1867 in Breslau, gest. am 28.8.1956 in Wiesbaden
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- Die Ehe meiner Eltern ist überaus glücklich gewesen. Mama hat oft ausgesprochen, dass niemals die kleinste Differenz oder
Disharmonie zwischen beiden Ehegatten bestanden habe. Immer habe sie sich führen lassen. Es entsprach das ihrem Naturel in
jungen Jahren und dann später ihrer grundsätzlichen Einstellung zu den von ihr auf Grund kluger Beobachtungen gesammelten
Lebenserfahrungen.
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- Mama hatte sich in sehr jungen Jahren Papa erschlossen. Bei ihrer Verlobung fehlten noch einige Wochen bis zur Vollendung
ihres siebzehnten Lebensjahres; Papa war 27 Jahre alt. Freudig hat sie seine persönlichen Ansichten und Interessen von Anbeginn
zu den ihrigen gemacht, hat sich vollkommen in sie hineingelebt, ist in ihnen aufgegangen und soweit ihr das möglich war, später
auch in seinen Berufsinteressen.
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- Oft und gern sprach sie es aus, dass grundsätzlich sich die Frau nach ihrem Mann zu richten habe und dass dieses das Rezept
sei, dass jede Ehe gut gerate. Das sei keine Preisgabe der Selbstständigkeit im Fühlen und Denken, sondern eine
Hinaufentwicklung zu den größeren Erfahrungen und gereifteren Erkenntnissen des geliebten Mannes, wodurch auch dieser
wiederum Gewinn habe.
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- Bei solcher Einstellung der Eltern zueinander hatten wir Kinder den großen Vorteil, dass wir in diesem vollkommenen Gleichklang
Widersprüche oder Differenzen überhaupt nicht kennen lernten. Die autoritäre Stellung, die Mama unserem Vater liebevoll gab,
verschaffte beiden Eltern unseren aller selbstverständlichen Gehorsam und zwar freudig und vorbehaltlos. Nicht als ob Papa etwa
streng oder rechthaberisch gewesen wäre; das ganze Gegenteil war bei ihm der Fall.
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- Wir hatten aber Gehorsam als eine selbstverständliche Angelegenheit kennen gelernt, den zu erfüllen uns niemals schwer gefallen
ist. Dazu kam, dass uns in unseren Charakteranlagen Widerspruch nicht angeboren war.
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- Hierdurch ist es mir (wie auch Heinz) eine Selbstverständlichkeit gewesen, der militärischen Disziplin mich zu fügen. In den älteren
Vorgesetzten, besonders in den höheren Chargen, sah ich mehr den erfahreneren Berater als die sich mir gegenüber betätigenden
Befehlsgewalt. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass das Dienstverhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen bei
der Feldartillerie (und Kavallerie) stets sehr viel angenehmer und gelockerter war, als bei der im altpreußischen Kommiss erstarrt
gebliebenen Infanterie, bei der unser Helmut leider eine sehr harte Schule hat kennen lernen müssen. Ungeeignete Lehrkräfte aus
dem Reserveverhältnis, die obendrein zeitbedingt gegen den Akademiker eingestellt waren, haben besonders durch ihre
Voreingenommenheit ihm den Dienst erschwert und ihm die Dienstfreudigkeit zeitweise stark beeinträchtigt.
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- Wir drei Brüder sollen sehr leicht zu erziehen gewesen sein. Da unser Vater durch seine Sprechstunden und Collegs, durch seine
Forschungen über das von ihm in die Medizin eingeführte Creosot und durch seine Veröffentlichungen hierüber, ferner durch
seine aktive Beteilungen im öffentlichen politischen Leben in seiner Zeit ebenso beansprucht war wie durch seine Mitgliedschaft in
wissenschaftlichen und kulturellen Vereinen (er war u.a. Vorstand des Breslauer Orchestervereins) und schließlich auch als "Alter
Herr" seiner Raczek-Burschenschaft, so lag in unseren Entwicklungsjahren unsere Erziehung vornehmlich in den Händen von
Mama. Obwohl wir unseren Vater nur Mittags und Abends bei uns hatten, so blieb er uns doch stets nahe. Mama hielt ihm
manchen kleineren und größeren Schulverdruss fern, so dass wir ihn stets in froner Stimmung sahen, wenn er bei abendlicher
Musik am Klavier oder Harmonium Entspannung suchte, uns mit Opermelodien bekannt machte oder uns Studentenlieder vorsang
und beibrach
- Dabei fehlte niemals eine halbe Flasche Rheinwein oder Moselwein, den er durch alle Jahre von seinem Studienfreund J.P.
Valkenberg in Worms/am Rhein bezog. Valkenberg ist der Alleinbesitzer des weltbekannten Weinbergs innerhalb das
Klosterartens in Worms, wo der Liebfrauenmilch-Wein in Wirklichkeit wächst.
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- Zur Taufe von mir, als seinem erstgeborenen Sohn und Stammhalter, dedizierte Valkenberg Papa eine Kiste 1861er
Liebfrauenmilch Auslese, von diesem köstlichen Taufwein wird wohl später noch die eine oder andere Kiste in unseren Keller
gefunden haben; fest steht jedenfalls, dass bei Papas Tod noch 40 Flaschen vorhanden waren und je zur Hälfte mir und Heinz
zugesprochen wurden. Dieses seltene Edelgewächs hat dann im Laufe von vierzig Jahren alle Feiern in meiner eigenen Familie
verschönt und ihnen als mein Taufwein eine besondere Note gegeben.
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- An den Sonn- und Feiertagen beschäftigte sich Papa sehr eingehend mit uns, noch mehr aber, wenn wir während der großen
Schulferien mit den Eltern auf Reisen gingen.
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- Diese schon von Jugend an unternommenen Reisen hatten auf meine Entwicklung einen großen Einfluss. Wenn auch bis etwa zu
meinem 14. Lebensjahr nur die Badeorte Schlesiens und der Ostsee aufgesucht wurden, so erhöhten auch sie schon die Freude in
der Natur und an den Naturwissenschaften und machten mich außerdem fremden Menschen gegenüber, mit denen man
zusammenkam, unbefangen und aufgeschlossen. Als wir dann alljährlich über Wien, München oder Frankfurt/M. das
Salzkammergut mit Jschl, Salzburg, den vielen schönen Seen oder Berchtesgaden aufsuchten, oder in der Schweiz oberhalb des
Vierwaldstädter Sees oder auf den Bergen bei Zug "Stammgäste" wurden, da war meine Aufnahmebereitschaft für die größeren
Verhältnisse bestens geweckt. Das Zusammensein mit Familien aus Italien, Holland, Belgien, Österreich, Spanien, Russland, USA
und der Schweiz gaben mir einen großen Vorsprung gegenüber meinen Altersgenossen im Verkehr und in der Beurteilung von
Menschen beiderlei Geschlechts und jeden Alters.
- Ich begriff schnell, dass mit manchen Menschen sogleich der geistige Kontakt gefunden ist und mit einer gewissen anderen Art
um vieles schwerer und dass, wenn man sich gleichaltrig, gegenseitig verstehen will, dieses auch ohne große Kenntnis der fremden
Sprache schnell möglich ist.
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- Mir wurde auch bewusst, welch großes Vertrauen der deutsche Offizier in aller Welt besaß, besonders, wenn er ritterlich und
aufgeschlossen sich gab und zeigte.
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- Das Zusammentreffen mit interessanten Menschen von Kultur und Bildung erweiterte stets mein Wissen. Wie sehr gleichen sich
doch die Menschen überall in gleichen Bereichen der Gesellschaft!
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- Der sonnennahe Aufenthalt auf Bergeshöhen, die reine stärkende Luft dort oben, die herrliche Natur und nicht zuletzt die
gepflegten, großartigen Hotels bewirkten, dass eine unbändige Sennsucht verblieb, dorthin wieder zurückzukehren oder weitere
Schönheiten kennen zu lernen.
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- Schon damals war ich entschlossen, das alles einmal den Meinigen zu bieten, wenn ich später sie besitzen und für sie zu sorgen
haben würde.
- Sogleich nach meiner Verheiratung ging ich daher auf mich eine Lebensversicherung bei der Lübecker
Lebensversicherungsgesellschaft über RM 30.000 ,-- ein, die längstens nach 20 Jahren zur Auszahlung zu kommen hatte. Der nahe
und ferne Osten und Amerika sollten für mich und die Meinigen das Ziel unserer Reisen und Erkenntnisse werden. Ihnen sollte
offenbar werden, dass nur ein weiter Blick und eine umfassende Bildung die großen Zusammenhänge politischer und kultureller
Art zu erfassen vermag. Für ihren späteren Beruf und Lebensweg und für die Bildung ihres Charakters war solche Erkenntnis von
entscheidendem und unschätzbaren Wert.
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- Den nennenswerten Versicherungsbetrag erhielt ich 1922 ausbezahlt, als die Inflation bereits heraufzog. Mit ihrer Beendigung war
auch meine Hoffnung zerronnen, die weit gestreckten Ziele verwirklichen zu können.
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- Von allen ihren Reisen brachten sich die Eltern selbstgepflückte Blumen mit. An den Winterabenden wurden sie, inzwischen durch
sorgsame Pressung getrocknet, auf weißen Kartons zu kunstvollen kleinen Sträußen gruppiert und darauf befestigt. Die Fundorte
und eventuell besondere Erinnerungen wurden hinzugeschrieben. Mama hat ihr ganzes Leben an dieser ihr lieb gewordenen
Gewohnheit festgehalten, sich Blumen zu sammeln, die mit ihr Zeugen besonderer Eindrücke und Erlebnisse gewesen waren aber
nicht nur auf Reisen, sondern auch bei allen Familienereignissen, bei Freude und Trauer.
- Alljährlich, bald nach Neujahr war es bei uns zur Tradition geworden, abends mit Hilfe von Bädeckers Reisehandbuch, Atlas und
Reichskursbuch Pläne für die kommende Sommerreise zu schmieden. Uns allen verhalf dieser Brauch zur Erweiterung unserer
geographischen Kenntnisse. Soviel Pläne aber jedes Mal auch geschmiedet worden waren, das Risiko wurde nicht eingegangen,
vielleicht noch schöneres kennen zu lernen. Die Sehnsucht nach den bekannten, herrlich schönen Bergen und die Gewissheit,
einen großen Teil der alten, lieben Bekannten wieder zu sehen, überwog zuletzt und warf alle neuen Pläne um, wenn die Ferien-
und Reisezeit sich wider jährte. Besonders freuten wir uns alle auf das Wiedersehen mit dem russischen General v. Soltikoff auf
Rigi-First, hoch über dem Vierwaldstädter See, der mit seinen beiden jugendlichen Töchtern mit Gesellschaftsdame und mit
seinem gleichfalls verwitweten Bruder (auch russ. General) wie wir, Stammgast dort war. Im Sommer bereiste er die Schweiz und
Italien, im W
- inter verkehrte er mit seinen Töchtern in der großen Petersburger Gesellschaft und am Zarenhofe. Die ältere seiner beiden Töchter
war Hofdame der Kaiserin. In den Zwischenzeiten bewirtschafteten beide Generale ihr im südlichen Kaukasus gelegenes Gut.
Zuerst waren die beiden, noch in den besten Jahren befindlichen Herren immer etwas still; bald aber begannen sie wieder
wundervoll interessant über russische Verhältnisse zu plaudern und von den Petersburger "Winteraffären" zu erzählen, durch die
ich und Heinz erstmalig Einblick in eine uns bis dahin fremde Welt erhielten, in der man sich bestimmt nicht zu langweilen
brauchte. Die beiden Töchter, hübsch und liebenswürdig, beherrschten auch die deutsche, englische, französische und italienische
Sprache, wie das die meisten Angehörigen der russischen Oberschicht auch gekonnt haben sollen.
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- An den Donnerstagabenden war Papa zweimal jedes Monats im Club in den schönen Räumen des Breslauer Zwingers.
- Wir Jungen freuten uns stets auf dieses Ereignis, weil wir uns dann als unser "Clubessen" ein kleines Lieblingsgericht bestellen
durften. Fast immer fiel die Wahl auf die leckeren Wiener Kaiserschmarren oder auf die nicht weniger gute warme Apfelsuppe.
Wir hielten an diesem Brauch fest, bis wir das Elternhaus verließen. Mama spielte mit uns Gesellschaftsspiele oder ließ uns
allerhand Ulk treiben. Heinz zeigte dabei sein schauspielerisches Talent und karikierte seine Lehrer und Schulkameraden oder
unsere Tanten und Onkel. Alte Röcke, Hüte und Plaids halfen hierbei mit. Zuweilen auch erzählte uns Mama von unseren
Anverwandten. Niemals erfuhren wir Schwächen von ihnen, sondern stets nur liebenswerte Eigenschaften, die sie uns näher
brachten. Und auch von ihrer italienischen Heimat erzählte sie uns. Die herrlich blaue und sonnige Adria, Triest mit seinen vielen
Fremden Schiffen, der Fisch- und Austernmarkt, der Föhnsturm und die eisige Bora der Nordwind im Winter, vom rauen Karst
her waren uns
- feststehende Begriffe geworden, ebenso wie Neapel mit dem Vesuv und Rom mit seinen alten Bauten und der Peterskirche.
- Zuweilen spielte uns Mama etwas auf dem Klavier vor. Groß war ihr Repertoire ja nicht und die drei italienischen Volkslieder oder
"Die schöne blaue Donau" wurden stets mit freudigem Hallo begrüßt. Noch größer aber wurde die freudige Stimmung, und auch
bei Mama selbst, wenn immer an denselben Stellen das Klavier anders tönte, als die Noten es wollten. An diesen Abenden
erzählten wir Mama zuweilen von unseren Schulnöten und Streichen. Wir gaben ihr einen Vorbericht und prüften seine Wirkung,
ab alles auch für Papas gestrengere Justiz geeignet sei. Für uns Jungens war es verhängnisvoll, dass Papa die Ansicht vertrat, dass
Schularbeiten überflüssig seien, wenn man in der Klasse gut aufgepasst habe. Wir waren aber nicht solche Musterschüler und
erfüllten die Vorraussetzungen nur mangelhaft, fühlten uns durch Papas Auffassung in unserer Faulheit nur bestärkt und erreichten
zweimal nicht die Versetzung, bis wir überzeugt waren, dass Fleiß eine unumgängliche Gewohnheit zu sein hat.
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- Gern ließen wir uns auch aus Mamas über uns geführten Tagebuch vorlesen. Die darin sorgsamst verzeichneten Angaben über
unsere Geburtsstunde, über unsere Körpergewichte in den ersten Monaten und Jahren, das Erscheinen der ersten Zähne, die
Tauffeiern, der erste Schultag, die erste Klavierstunde, die Versetzungstermine, gemachte Beobachtungen an uns und besondere
Äußerungen von uns, Schulausflüge, Masern und noch viele andere Aufzeichnungen fanden immer wieder unser größtes Interesse.
Mama hat ihr Tagebuch über uns bis zu den Geburtstagen ihrer Enkelkinder fortgesetzt.
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- Mama ist uns eine urdeutsche Mutter gewesen, begeistert für ihr neues Vaterland und für sein Kaisertum, dessen Gründung und
Ende sie erlebt hat.
- Mit Stolz erzählt sie, dass alle ihre vier Jungen als "Pracht- und Ausstellungskinder" geboren worden seien, auch der kleine Georg,
der wegen seines angeborenen Herzfehlers nach 5 Monaten uns wieder genommen worden war.
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- Ich wurde in Breslau, Schweidnitzer Stadtgraben 26, pt. Am 28. Dezember 1867 um 11 Uhr 25 Minuten mittags geboren.
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- Von meiner früh sich zeigenden musikalischen Veranlagung versprachen sich meine Eltern zunächst sehr viel. Ich soll mit 3 Jahren
bereits Lieder und gewisse Opernmelodien so genau gekannt haben, dass ich mit unfehlbarer Sicherheiten den kommenden
Schluss derselben 10 bis 20 Takte vorher unter Zeichen eigener Freude angezeigt habe. Die gute Veranlagung erhielt in der
entscheidenden Zeit leider nicht die bestmögliche Förderung und Durchbildung. Bei allen musikalischen Empfinden und innersten
Freude an der Musik blieb ich weit hinter den auf mich gestellten Erwartungen zurück, obgleich ich die Melodien nach dem Gehör
schneller als durch Noten fand und alles alsbald mühelos auswendig spielte. Das Notenlesen hat mir immer Schwierigkeiten
gemacht, auch in reiferen Jahren, als ich nochmals versuchte, es besser zu lernen.
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- Meine musikalische, wie auch die dichterische Veranlagung habe ich von meinem Vater geerbt. Dieser hatte sie von seiner Mutter
und ich habe sie an Erhard weitergegeben. Von meinem Vater war nicht auf mich seine mathematische Veranlagung übergegangen,
wohl aber auf meinen Bruder Walter. Sie ist dann wieder bei unserem Helmut zu Tage getreten und hat ihm bei seinen Lehrern und
Mitschülern Anerkennung und ihm selbst Freude gebracht. Die vorzügliche rechnerische Veranlagung seiner geliebten Mutter hat
m.E. bei Helmut die bei mir latent gebliebene mathematische Anlage wieder ausgelöst.
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- Erbbedingt war bei mir auch das schon in frühen Jahren sich zeigende Interesse an der Medizin und der Drang, an alles
heranzukommen, was auf naturwissenschaftlichem Gebiet gelegen war. Ich hielt mir im kleinen Schuppen im Hof unseres Hauses
Tiere aller Art, züchtete aus Froscheiern Frösche und entwickelte durch Ernährung/Kälte und Wärme/Experimente Abarten in
Farbe und Größe. Ich sammelte die Eier fast sämtlicher europäischer Vogelarten, ferner Käfer und Schmetterlinge, Mineralien und
Versteinerungen aus Kiesgruben. und Steinbrüchen und freundete mich mit den Tieren im Breslauer Zoo ebenso an wie mit den
zuweilen dort vorgeführten exoti-schen Gästen, Nubiern, Lappen, Eskimos oder Indern und Indianern, den Liliputanern oder
anderen menschlichen Abnormitäten. Selbstverständlich hatten auch die in Papas Sprech- und Studierstube in offenen Regalen
bereit stehenden medizinischen Bücher und Atlanten eine ungeheuere Anziehungskraft auf mich. Ich zeichnete erst das
Knochengerüst des Menschen ab, b
- ald aber auch die inneren Organe und war von diesen Offenbarungen ebenso fortgerissen wie von den Wundern erster
menschlicher Entwicklung. Zur damaligen Zeit erschien in einzelnen Liefe-rungen die erste Auflage von "Brehms Tierleben".
Staunend und hingerissen von der darin geschilderten Entwicklungsgeschichte der Menschheit und von den Lehren vergleichender
Naturwissen-schaft, erschienen mit die zu leistenden Schularbeiten un-interessant und nüchtern zum unbedingten Nachteil für
mich, da in der damaligen Zeit die Naturwissenschaften auf dem humanistischen Gymnasium ebenso als Stiefkind galten und
be-handelt wurden wie Sport und Turnen. Aber gerade zu diesen allen fühlte ich mich unwiderstehlich hingezogen, ohne da-durch
Anerkennung oder gar Vorteil für mich zu haben, wie das heute der Fall sein würde.
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- Meine medizinischen Kenntnisse wollte ich natürlich an meine Klassenkameraden weitergeben. Ich las daher, ich war Quartaner, in
den Pausen meine "Collegs", die sich einer großen Beliebtheit erfreuten, bis mir meine vermeintliche "venia docendi" nach
notpeinlichem Verhör vor dem Direktor durch meinen Ordinarius brutal entzogen wurde. Eine Frau Philipp hatte sich sorgenvoll
an den Schulgewaltigen gewandt und ihm klagend geschrieben, dass ich ihren Sohns, ja, die ganze Klasse total verdürbe. An Papa
bekam ich einen Brief mit.
- Nach feiger Gedanken bänglichem Schwanken und gedrängt von dem nach der Aushändigungsquittung verlangenden Ordinarius
dem strengen stets im Diskant sprechenden Herrn. Dr. phil. Hoffmann übergab ich endlich am fünften Tage das Schreiben, auf
dem Papa neben seinen Titeln und Würden auch als Kurator des von mir beglückten Johannes Gymnasiums verzeichnet stand.
- Papa las das schreiben einmal, zweimal und sagte dann zu mir in ungewohnt ernstem Ton, der mir aber gar nicht ernst vorkamt
"So etwas habe Ich von Dir doch nicht gedacht!"
- Nach dem vorausgegangenen Wortschwall meines Direktors und nach dem noch schlimmeren meinen Ordinarius musste ich einen
vernichtenden Bericht über die gewählten Themen und über mich befürchten. Der "hochzuverehrende Herr Professor" war aber
nur gebeten worden, mir den Zutritt zu seiner Bibliothek zu verbieten, weil ich meine daraus entnommenen Kenntnisse an meine
Mitschüler weitergegeben hätte und daran deren Eltern Anstoß genommen hätten. Ich empfand ja sogleich, dass Papa gar nicht so
ärgerlich über mich war und als ich ihm zeigen musste, an welche Bücher und Bilder ich mich herangewagt hatte, da folgte ein
befreiendes homerisches Lachen seiner-seits. Am Tage darauf bekam der fromme Philipp von mir und zweien meiner ehemaligen
begeisterten "Schüler" ungehemmte Prügel, die wiederum einen Brief der Frau Philipp voller Klagen über mich an den Direktor
auslösten und mir zwei Stunden Arrest einbrachten. Als ich sie beichtete, sagte Papa kein Wort zu mir. Ich aber empfand, dass er
ganz auf mei
- ner Seite stand. Das wurde mir am nächsten Tage zur Gewissheit als er von mir wissen wollte, ob die Prügel auch gut gesessen
hätten.
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- Papa hat bestimmenden Einfluss gehabt, dass ich die Offizierslaufbahn ergriffen habe.
- Bei meiner erbbedingten Veranlagung für Medizin und Naturwissenschaften hätte ich Mediziner werden müssen. Aber gerade im
entscheidenden Jahr fehlte mir die unwandelbare Zielstrebigkeit, wie sie bei unserem Erhard immer und immer vorhanden gewesen
ist. Auch war mein Interesse an den trockenen Schuldisziplinen stark erlahmt. Dazu kam, dass meine beiden Vettern, Hans und
Walter v. der Hardt, als Fähnriche und Offiziere nicht nur durch ihr zweierlei Tuch die Weiblichkeit, sondern auch mich restlos
begeisterten und dass sie mir zu sicherten, ihnen gleich zu werden, wenn ich ihnen nachfolge. Papa hatte damals gerade erbitterte
Auseinandersetzungen mit der jüdischen Ärztegemeinschaft in Berlin und der total verjudeten Breslauer Universität wegen seiner
bekannt werdende Kresot-Therapie. Schon damals war sich Papa bewusst, dass diese Angriffe gegen ihn deswegen so
impertinent waren, weil seine politische Einstellung, wie sie sich in den von ihm unterzeichneten Wahlaufrufen zeigte, sich auch
gegen
- das Judentum richtete. Und gerade wegen der jüdischen Konkurrenz hatte mir Papa manchmal mehr, manchmal weniger, aber
doch immer abgeredet Arzt zu werden.
- Und noch ein anderer Moment kam hinzu. Papa war in seinem Füh-len und Denken Soldat und ein begeisterter Anhänger der
Armee. Er kannte das Generalstabswerk über den Krieg gegen Frankreich von 1870/71 ebenso genau wie jeder aktive Offizier in
damaliger Zeit.
- (Sein Schwager, Ernst v. der Hardt, der Mann seiner Schwester Elisabeth war darin wegen seiner besonderen Tapferkeit in der
Schlacht bei Wörth namentlich erwähnt, - eine seltene Gepflogenheit des Gen. Werks).
- Und als einmal Papa bei einer Gesellschaft In Breslau einen sehr netten Feldartillerie-Oberst kennengelernt hatte, der für sein
Regiment Offiziersanwärter aus bekannten schlesischen Familien suchte, da wurde diese Begegnung zur Sternenstunde meines
Lebens. Ich wurde Offizier.
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- Ich habe diesen Entschluss niemals ganz überwinden können. Ich bin aber doch durchmeinen Beruf stets voll befriedigt worden,
solange ich ihm in Friedens- und Kriegszeiten ange-hört hatte.
- Es ist mir in ihm stets gut ergangen. Interessiert für den abwechselungsreichen Artilleriedienst, der immer auf guten, schnellen
Pferden ausgeübt war, bereits nach 2 ½ Jahren zum Adjutant ernannt und vier Jahre in dieser bevorzugten Stellung belassen, jung
Hauptmann und Chef geworden einer musterhaft guten, mir treu ergebenen Batterie, stets in angenehmem Verkehr mit meinen
Vorgesetzten und Kameraden und zuletzt der Kommandeur an den Brennpunkten der Westfront eines sich in hervorragender
Tapferkeit bewährten Regiments hatte ich innere Befriedigung. Ich habe ferner 2 bei meiner Waffe beliebte Bücher 7 Jahre lang
herausgegeben, die auszugsweise mit meiner Genehmigung für die argentinische Armee übersetzt worden sind
- Ich habe auch als Regimentskommandeur nur immer beste Erfahrungen mit den mir gern folgenden Unteroffizieren und
Mannschaften gemacht. Auch in und nach den Revolutionstagen änderte sich nichts in dem guten Verhältnis zwischen uns.
(Einschließlich der Munitionskolonnen unterstanden mir annährend zweitausend Mann.) Es war sicher ein gutes Zeichen, dass, um
mich zu erfreuen, auf jedem Geschütz eine schwarz-weiß-rote Fahne angebracht worden war. Ich glaubte, meinen Augen nicht
trauen zu können, als mir die geliebten Farben eines Tages im November 1918 überraschend entgegenwehten, die uns dann vier
Wochen lang auf unseren Märschen durch Frankreich, Belgien und Luxemburg begleiteten.
- Erst die "roten" Elemente in der Heimat nahmen sie uns herunter. Wir standen im schärfsten Gegensatz zu manchem bereits
draußen "rot" gewordenen Infanterie Regiment, an dem wir vorbeikamen, aus dem uns Offiziere mancher gemeine Zuruf treffen
sollte.
- Den Soldatenrat, den ich auf Befehl der neuen Regierung und auf Anordnung Hindenburgs neben mich eingesetzt hatte, bat man
mich, wieder aufzulösen. Als ich hiervon nichts wissen wollte, bildete ihn mir mein Regiment aus denjenigen Mannschaften, denen
ich durch Dienst oder Frontkameradschaft näher getreten war und die ich besonders gern hatte. Obgleich ich mich vor jeder
Bevorzugung gegen andere gehütet hatte, zeigte es sich doch auch hier wieder, dass der Untergebene ein sehr guter Beobachter
seines Vorgesetzten ist. Ich war streng, aber gerecht, doch lies ich zu gegebener Zeit die Zügel lockerer, konnte außer Dienst das
Vorgesetztenverhältnis vollkommen vergessen und hatte das Vertrauen aller. Das alles habe ich mir selbst jeweils vorgehalten, um
Äskulap zu vergessen.
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- Sehr viel weniger Hemmungen hatte Heinz zu überwinden gehabt. Mit vollen Segeln strebte er der Offizierlaufbahn entgegen.
Selbstverständlich trat er in meinem Regiment "als Anwärter mit Aussicht auf Beförderung zum Offizier" ein, wie es damals hieß.
Unser Felda. Rgt. V. Clausewitz, mit den Garnisonen Neiße, Grottkau, Neustadt, Oberschlesien, hatte die Eigentümlichkeit, dass
außer mir und Heinz in ihm gleichzeitig noch weitere vier Brüderpaare standen, die Brandt, die Krampff, die Eberhard und die v.
Rudzinski. Die Väter der Kameraden waren entweder Gutsbesitzer, Akademiker oder ehemalige Offiziere.
- Mit Heinz habe ich mich stets ausgezeichnet verstanden, obgleich wir beiden Brüder "grundverschieden" von klein an gewesen
sein sollen. Wir wichen aber eigentlich nur im Grad unseres Empfindungslebens von einander ab. Heinz war der robustere, auch
körperlich. Er war ein herzensguter Mensch, klug, witzig, ehrgeizig und allgemein beliebt, aufopfernd in seiner Freundschaft und
treu, ein großer Lebensbejaher und den Freunden der Tafel außerordentlich zugänglich. Er war "ein rührend guter Sohn", wie ihn
Mama stets bezeichnet hat. Heinz besaß die Herzensgüte und Klugheit aus dem elterlichen Erbgut, nicht aber so sehr auch die
besondere Feinfühligkeit und Feinnervigkeit der mütterlichen Seite.
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- So kam es, dass er als ganz junger Leutnant im Jahre 1896 von Grottkau nach Saarlouis/Saarlautern versetzt werden musste, weil
er es unternommen hatte, die Duellforderung eines Regimentskameraden an einen Gutsbesitzer zu überbringen. Das hätte nicht
geschehen dürfen, wenn Heinz erkannt oder gefühlt hätte, dass der in seiner Ehre Verletzte der Gutsbesitzer und nicht der
Leutnant gewesen war.
- Seine jugendliche Unkorrektheit hatte man ihm aber im neuen Regiment bald verziehen und vergessen. Es blieb nur für Mama und
uns Brüder das betrübliche Bewusstsein zurück, so weit von Heinz getrennt zu sein und ihn nur selten wiedersehen zu können.
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- Schon nach zwei Jahren darauf sollte er Abteilungs-Adjutant werden, ein sicheres Zeichen dafür, dass seine Tüchtigkeit in den
neuen Verhältnissen sich durchgesetzt hatte und dass man seinen anständigen Charakter als Mittler zwischen Kommandeur und
dem diesen unterstellten Offizierskorps verwenden wollte. In letzter Stunde kam es aber anders und zwar wieder nur durch seine
eigene Schuld. Nach der sehr gut verlaufenen Besichtigung seines Regiments durch den Kommandierenden General fand vor
diesem eine Cabaret-Vorführung statt, ähnlich den Aufführungen in der gesamten Artillerie am Barbaratage, ihrer "Schutzheiligen".
Heinz trug selbstverfasste Couplets und Chansons vor, voller witzigen Anzüglichkeiten auf Kameraden und Begebenheiten. Leider
versagte sein sonst fein und liebenswürdig wirkender Humor und Witz einem im Regiment unbeliebten Hauptmann gegenüber. Der
Hieb gegen ihn saß so stark und war so drastisch und deutlich, dass der schwer gekränkte Hauptmann disziplinarische Bestrafung
forde
- rte. Diese erreichte er zwar nicht. Am nächsten Tage aber, an dem die Ernennung zum Adjutanten ausgesprochen werden sollte,
eröffnete der Regimentskommandeur unserem armen, aus allen Himmeln fallendem Heinz, dass er wegen des in Frage stehenden
Vorfalls statt einen anderen Offizier zum Adjutanten habe ernennen müssen.
- Seiner Beliebtheit im Regiment und in der Garnison hat diese Enttäuschung nicht geschadet, aber verschmerzen hat er sie niemals
gekonnt.
- Heinz war sein Felda. Regiment von Holtzendorff (l. Rheinisches) Nr. 8 sehr ans Herz gewachsen. In ihm hat er vom Frühjahr
1896 bis zum Ausspruch der Mobilmachung 1914 frohe und erfolgreiche Jahre als Leutnant, Oberleutnant und Hauptmann
verlebt. Er war der Batteriechef der von ihm musterhaft geführten und ihm treu ergebenen 3. Batterie. Vom Beginn des
Weltkrieges bis Anfang Mai 1915 war er Kommandeur der II. Munitions-Kolonnen Abteilung des XXI. Armee Korps, das an der
Westfront kämpfte.
- Am 10. Mai 1915 wurde er zum Abteilungskommandeur der I. Abt. seines Felda. Rgt. 8 ernannt, die bei Augustowo (Russland)
im Stellungskampf stand. Er führte seine Abteilung bis zum Sommer 1917. Krankheitshalber war er anschließend einige Monate
Kommandeur einer Munitionsverwaltung einer Etappeninspektion. Wiederhergestellt, wurde er Abteilungskommandeur der II.
Abteilung Felda. Rgts. Nr. 46 und bald darauf stellvertretender Regimentskommandeur dieses Regiments. Im Frühjahr 1918
wurde er zum Kommandeur des Felda. Rgts. 213 ernannt. Im Weltkrieg stand Heinz während der ersten 10 Monate an der
Westfront, dann in Russland und in Rumänien.
- Nach dem Krieg war er der sehr verehrte und beliebte Vorsitzende der Offizier- und Mannschaftsvereinigungen vom Regiment
von Holtzendorff. Er schrieb dessen Geschichte und brachte sie im Februar 1931 heraus. Nach Sachlichkeit, Umfang und
Ausstattung ist sie eine der besten veröffentlichten Regimentsgeschichten.
- Heinz heiratete am 22. Juni 1910 Helene Engelhard aus Frankfurt/M. Seine Ehe ist kinderlos geblieben. Sie war glücklich. Von
1919 bis 1931 lebte Heinz in Lohr/M., wo seine Frau von ihrem Onkel Friedrich Fay auf dem Valentinusberg eine Villa mit großem
Obstgarten geschenkt bekommen hatte.
- Von Lohr/M. siedelte Heinz nach Garmisch über. Nach dem Aufenthalt im kleinen fränkischen Städtchen und dem Leben in
landwirtschaftlicher Betätigung wollte das Ehepaar wieder mehr Kultur und Anregung um sich sehen. Ihre Villa auf dem
Valentinusberg verkauften sie und fanden in Garmisch, Waxensteinstr. 1 in der 1. Etage einer Villa eine ihnen sehr zusagende
Wohnung. Bald nach der Umsiedlung stellten sich bei Heinz leider die ersten Zeichen des Nachlassens seiner bis dahin so guten
Gesundheit ein. Eine Nierenerkrankung begann sich merkbar zu machen, der er in seinem 63. Lebensjahr, am 18. Juni 1933 erlegen
ist. Sie war auch die gleiche Todesursache bei unserem Vater und unserem Bruder Walter gewesen.
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- Im Kreise von nachmittags bei ihm zu Gaste weilenden guten Freunden, im Lehnstuhl sitzend, ist er plötzlich friedvoll und
kampflos entschlafen, während der Unterhaltung.
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- Auf dem landschaftlichen so schön gelegenen Friedhof von Garmisch, hinschauend nach den herrlichen Bergen hat er seine letzte
Ruhestätte gefunden, an der Stelle, die er selbst noch für sich ausgewählt hatte.
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- Ich und Heinz waren in unserem Beruf "selfe made man". Seit unserem Ur-Urgroßvater, dem Oberpfarrer und Superintendanten in
Peitz i. Lausitz, sind alle unsere Ahnen von Vaters Seite her Akademiker gewesen. Dadurch fehlte uns die berufliche Tradition.
Alle Vorteile, die sich daraus ergeben hätten, gingen uns verloren. Erfahrungen konnten nicht von uns übernommen, sondern
mussten mit Lehrgeld erst neu gesammelt werden. Bis sie sich auswirken konnten, verpassten wir Zeit, die von erfahreneren
Kameraden besser und zielbewusster ausgenutzt werden konnte als von uns in den entscheidenden Jahren bis zum
Hauptmannspatent.
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- 1889
- Am 21. September 1889 war ich zum "Seconde-Lieutenant" befördert worden. Am 1. Oktober zog ich mit der neu aufgestellten
III. Abteilung meines Felda. Rgts. Von Clausewitz, vom Schiessplatz Lamsdorf kommend, in unserer neuen Garnison Neustadt
O/S ein. Wir lösten die 6. Husaren ab, die seit den Befreiungskriegen inmitten der überaus militärfreundlichen Einwohner hier
gestanden hatten. Das neue erwies sich auch bei uns wieder als das Begehrenswertere; die gesamte Bürgerschaft schwenkte
sogleich zu uns über und bemühte sich, ihren Frontwechsel unter Beweis zu stellen. Bei den Familien in der Stadt und Land, wo
wir den Verkehr aufnahmen, entzückte uns die bekannte, oberschlesische, große Gastfreundschaft. Bei der gesamten Bevölkerung
war der österreichische Einschlag unverkennbar; sie war lebensfroh und liebenswürdig und nahm das Leben von seiner besten
Seite. Auf dem Marktplatz zeigte der Brunnen noch immer den Habsburgischen Doppeladler und plätscherte wie schon zu Zeiten
Maria-Theresias das
- Wasser in sein hohes Becken, und nach der österreichischen Grenze ritten wir nur 20 Minuten, wenn man trabte.
- Nach der strengen Fähnrichzeit auf der Kriegsschule Anklam und auf dem einsamen Schiessplatz Lamsdorf nahm ich den
romantischen Kleinstadtzauber willigen Herzens in mich auf. Dazu kam die schöne nahe und weite Umgebung von Neustadt, die
mit der Umgebung von Wiesbaden Ähnlichkeit besitzt. Die nahen Berge aber erheben sich bis zur 800 m hohen Bischofskoppe
und das entfernte Altvatergebirge trug auch im Juni noch Schnee, dessen weite Flächen aus dunklen Tannenwäldern weithin
leuchteten.
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- 1891/92
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- Ich fühlte mich in jeder Beziehung wohl in Neustadt. Dann kam nach den ersten beiden Jahren strammen Dienstes als
Rekruten-Offizier mein Kommando für 6 Monate nach Berlin zum letztmaligen, abgekürzten Kursus der vereinigten Artillerie- und
Ingenieurschule.
- In diese Zeit fiel am 14. März 1892 der 25. Hochzeitstag meiner Eltern, den sie mit mir zusammen feiern kamen, um in Breslau den
vielen Gratulanten auszuweichen. Papa fühlte die ersten Anzeichen nachlassender Spannkraft.
- Unmittelbar daran anschließend erfolgte im Mai 1892 meine Ernennung zum Adjutanten der III., detachirt in Neustadt stehenden
Abteilung meines Felda. Rgts. Von Clausewitz (1.Oberschlesischen) Nr. 21. Anschließend an diese vierjährige, schöne Zeit werde
ich nach Neiße, der Stabsgarnison unseres Rgts., versetzt und stand dort von Oktober 1895 bis Oktober 1899, auch hier
wiederum in dienstlich, kameradschaftlich und gesellschaftlich angenehmsten Verhältnissen.
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- 1896
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- Im September 1896 erhielt ich meine Beförderung zum "Premier-Lieutenant".
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- 1897
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- Ab Februar 1897 war ich auf 4 Monate zu Felda. Schiessschule kommandiert.
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- 1899
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- Das Jahr 1899 brachte meiner Waffe die große Vermehrung, wodurch bei uns in Oberschlesien ein neues Rgt. Entstand, das aus
der bisherigen III. Abt. Nr. 21 in Neustadt und einer im nahen Oberglogau neu aufgestellten Abteilung gebildet wurde und die
Bezeichnung: Zweites Oberschlesisches Felda. Rgt. Nr. 57 erhielt.
- In dieses Rgt. Werde ich am 1.10.1899 von Neiße aus versetzt.
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- 1900
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- Meine Garnison wird also wieder Neustadt, bis ich am 1. Oktober 1900 zum Hauptmann und Batteriechef befördert werde und
die 6. Batterie in Oberglogau erhalte.
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- 1902
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- Dorthin folgte mir meine geliebte Frau und in diesem Nest, der an Kleinheit und Primitivität nicht mehr zu unterbietenden
Garnison, verbringen wir, in ihrer sog. Schönsten Villa, über dem Offizierscasino wohnend, das erste glückliche Jahr unserer
weiteren so glücklichen Ehe.
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- 1903
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- Als am 1. April 1903 die Oberglogauer Abteilung nach Fertigstellung der neuen Kasernen nach Neustadt verlegt wurde, da halte
ich zum zweiten Male mit meiner Truppe meinen festlich, von der Stadt gegebenen Einzug in deren Mauern. Ich war der einzige
Offizier im Regiment, dem das widerfuhr. In seiner Festrede erwähnte es besonders der Oberbürgermeister Engel und begrüßte
mich als "alten Neustädter" äußerst herzlich.
- Mit der Hauptmannwürde brachte ich jetzt meine geliebte junge Frau und mein erst wenige Wochen altes Töchterlein mit. Im
Hause Promenade 6, einem mehr durch Grundriss als durch Ausstattung grosstädtischen Neubau, finden wir die uns zusagende
Unterkunft. Einzigartig schön ist der Blick über die bis zum Wald am Fuße der Vorberge reichenden ausgedehnten
Promenadenanlagen und die Fernsicht am Gebirge entlang, wohl 20 Kilometer weit, über die wie ein Garten anzuschauende
Landschaft.
- Die kommenden 10 ½ Jahre bringen uns einen sehr großen Zuwachs unseres Glückes, werden uns hier doch unsere drei Jungen
geboren. Wie freudig und beseligt hatte Mieze sie mir geschenkt, unbekümmert darum, dass deren Ankunft nicht für spätere
Termine abgewartet worden war, mutig und tapfer die verdoppelte Mühe und Arbeit auf sich nehmend, wenn jeweils immer zwei
Kinder mit nur zwölfmonatigem Altersunterschied liebevoll zu betreuen waren.
- In dem durch Höhenlage und die nahen Tannenwälder gesunden Klima wachsen unsere vier "Pracht- und Ausstellungskinder"
vortrefflich heran. Sie lassen uns vergessen, dass wir in der Kleinstadt kulturell auf sehr vieles verzichten mussten, was sonst das
Leben verschönt und angenehm macht.
- In diese Zeit fällt die schwere Erkrankung und der Tod am 17. Mai von Miezes Vater.
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- 1912
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- Während der 12 Jahre, in denen ich Chef meiner 6. Batterie war, hatte ich niemals die geringste dienstliche Enttäuschung. Meine
sämtlichen Mannschaften waren vom dritten und vierten Jahre an meiner Batteriechefzeit nur Freiwillige. Sie kamen aus
bestimmten schlesischen Dörfern und stellten mir jedes Jahr stets wieder neue Freiwillige. Hierdurch wurden anerkannte
Höchstleistungen leicht erreichbar. Meine Unteroffiziere haben mich lange Jahre über dem Weltkrieg hinaus an ihrem Ergehen
teilnehmen lassen.
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- 1913
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- Nachdem ich ein Jahr "Überzähliger Hauptmann" beim Stabe meines Regiments 57 im Anschluss an meine Batteriechefzeit
gewesen war, wir meine neue Garnison Posen. Hier bin ich im 1. Posenschen Felda. Rgt. Nr. 20 Major beim Stabe.
- Auch hier wieder nur angenehme dienstliche und kameradschaftliche Verhältnisse. Die Stadt selbst ist nach Ruf und Wirklichkeit
ein "kleines Paris", und wird als Bollwerk für deutsche Kultur und als Wahrzeichen kaiserlicher Macht gegen das sich wieder
regende, zusammen mit dem Katholizismus heimlich gegen Deutschland schürende Polentum in jeder Weise von der
Reichsregierung bevorzugt und versorgt. Die imposanten neuen Bauten um die hochragende, trutzige Kaiserpfalz, (die Akademie,
das Theater, die Ansiedelungskommission, das Regierungspräsidium, die Oberpostdirektion) zeigen unseren Willen, nicht mehr
von hier zu weichen.
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- 1914
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- Schon am 21. März 1914 werde ich als Major und Abteilungskommandeur nach Metz versetzt, wo selbst ich die I. Abt. Felda.
Rgts. Nr. 34 erhalte. Ich hatte die Wahl zwischen Bromberg und Metz gehabt. Sie fiel mir nicht schwer. Der Westen war schon
lange mein erstrebenswertes Ziel gewesen, nicht zuletzt wegen der klimatischen Bevorzugung gegen den Osten.
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- März 1914
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- Wie anders als Posen wirkte Metz auf mich ein! Ich schien mir bereits in Frankreich zu sein, so fremd wirkten Menschen, Bauten,
Sprache und Klima auf mich ein. Posen hatte ich bei 10 Grad Kälte verlassen, hier blühten schon Seidelbast und Veilchen und die
Menschen promenierten in Frühjahrskleidung im warmen Sonnenschein auf den Straßen und den schönen Anlagen längs der
Mosel.
- Teils durch die besonderen Verhältnisse als Grenzkorps gegen Frankreich, teils aber auch aus zunächst noch unerkannten
Gründen, war der milit. Dienst hier angespannter als im Osten. Es gab dadurch viel Abwechselung. Bulgarische oder
österreichische Offiziersabordnungen erschienen, denen Gefechte vorgeführt wurden. Unter Leitung des Kronprinzen fand eine
große Generalstabsreise mit Metz als Mittelpunkt statt, und der Kaiser, von Korfu und seinem märchenhaft schönen Schloss dort,
kommend, weilte hier und besichtigte die in der Stärke von 1 ¼ Armee-Korps garnisonierenden Truppen in einer großen
Gefechtsübung mit anschließender Parade. Metz hatte die modernsten Forts und seinen "Zeppelin", der eine besondere milit.
Sehenswürdigkeit damals galt.
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- Unvergesslich wird es mir immer bleiben, mit wie großem Interesse unser 10 Jähriges Hansel allen militärischen Eindrücken folgte
und wie passioniert und stramm er infanteristische Griffe und Bewegungen im Garten unserer Villa, Parkstr. 11, nachzumachen
verstand. Ich glaube gern, dass sich daraus ein tieferes militärisches Interesse würde entwickeln können.
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- Mai 1914
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- Langsam zieht der Weltkrieg herauf, ohne den Unkundigen zu warnen. Schon Anfang Mai 1914 übersiedelt mein Regiment nach
dem Truppenübungsplatz Bietsch in den Vogesen, um seine vierwöchige Schiessübung abzuhalten. Was ich bisher niemals
hinausgeschoben hatte, das hole ich hier, nachdenklicher durch die mir fremden Verhältnisse geworden, beschleunigt nach, was
ich schon in Neustadt gewollt hatte. Ich versichere mich bei der Leipziger Lebensversicherung A.G. auf RM 100.000 ,--, um
hierdurch auch noch ein Mehrer unseres Kapitals gewesen zu sein, wie das mein Vater und Schwiegervater ja auch gewesen sind.
(s.: meine Denkschrift: "Soll und Haben").
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- August 1914
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- Sofort nach Ausspruch der Mobilmachung am 1. August 1914, 16 Uhr, eilte ich in die Kasernen meines Regiments, da meine
Abteilung zu denjenigen kleineren Einheiten gehört, die schon 6 Stunden darauf den artilleristischen und infanteristischen
Grenzschutz zu übernehmen hatten. Bereits am 1. August 1914, um 10 Uhr abends, muss Mieze mit den Kindern die Festung
verlassen. Ihr Ziel ist Frankfurt/M. Ein letztes Wiedersehen am Zuge wird möglich, weil das Metzer XVI. Armee-Korps aufgrund
zunächst geheim gebliebener Befehle erst am 17. August zur Umfassung von Verdun vorzumarschieren hatte.
- Am 22. August kommen wir in erste Berührung mit dem Feind. Die schweren Grenzschlachten beginnen.
- Am 24. August erhalte ich und meine I. Nr 34 bei Bouvigny die Feuertaufe im Artillerieduell mit schweren franz. Batterien.
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- September 1914
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- Am 1. September überschreiten wir am frühen Morgen die Maas. Die Schlacht bei Dannevoux unweit des Flussufers entbrennt bei
glühender Sommerhitze und wird zur schwersten Schlacht für mein Regiment und mich im Weltkriege.
- Mein XVI. Armee Korps erst teilweise übergesetzt und noch nicht entfaltet wir konzentrisch von zwei feindlichen Armee-Korps
angegriffen, um in und über die Maas zurückgeworfen zu werden. Am Abend war der Ring um uns mit dem Fluss im Rücken
durch uns gesprengt.
- Ja diesen beiden ersten Tagen hatte mein Regiment 17 tote oder verwundete Offiziere, 62 t. oder v. Unteroffiziere, 112 t. oder v.
Mannschaften, 191 t. oder v. Pferde.
- Ich erhielt das Eiserne Kreuz II.
- Und dann folgen bis zum bitteren Kriegsende weitere 218 Schlachten und Gefechte. Die dienstlichen Ausweise und die
Regimentsgeschichte wie auch meine Personalpapiere geben hierüber genauere Kunde.
- Für mich gliederte sich meine Tätigkeit im Weltkriege in zwei Abschnitte, je nachdem ich als Abteilungskommandeur oder ab
September 1916 als Regimentskommandeur meine mir unterstellte Truppe geführt habe.
- Als abt. Kdeur. von I./34 halte ich nach den Grenzschlachten und den Kämpfen um Verdun und Varennes mit meinen drei
Batterien den Schlüsselpunkt für die östlichen Argonnen, Vaugois, unweit Varennes. Die gesamte Front ist von jetzt ab zum
Stellungskampf erstarrt.
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- Oktober 1914
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- Als ich vier Jahre später mein Regiment 269 (S. 76) unweit Varennes ins Feuer führe, fallen noch immer genau wie einst die
schweren Einschläge auf den hochrangigen Berg und liegen über ihm die weißen Wolken platzender Schrapnells, nur dass vom
Dorf Vauquois nichts mehr zu sehen ist. Der Feind hat diese Stellung niemals bezwingen können!
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- Februar 1915
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- Der am 17. Februar 1915 von den Franzosen mit 7 Regimentern auf Vauquois angesetzt gewesene Großangriff nach dem
überhaupt ersten Trommelfeuer im Weltkrieg bricht unter schwersten Verlusten für den Feind zusammen. Der Kommandierende
General von Mudra überbringt mir persönlich in der darauf folgenden Nacht als erstem Offizier meines Regiments das Eiserne
Kreuz I. oben auf Vauquois.
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- April 1915
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- Am 30. März 1915 werde ich als Abteilungskommandeur zum neu aufgestellten Felda. Rgt. 237 versetzt und erhalte die I./237. Mit
mir treten vom alten Rgt. 34 für den kommenden Bewegungskrieg besonders geeignet erschienende Offiziere, Mannschaften und
Pferde über. Wir gehören zur Armee des Feldmarschalls v. Mackensen, die sich in und um Mörchingen formiert. Mein Rgt. 237
gehört zur 119. Infant. Division.
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- Mai 1915
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- Am 2. Mai 1915 stehe ich in der großen Durchbruchsschlacht durch die russische Front bei Gorlice-Tarnow. Eine soldatische
unvergleichlich schöne Zeit nimmt hier ihren Anfang. Wir treiben unaufhaltsam bis in den Oktober die Russen vor uns her.
Infanteristisch wehrt er sich heldenhaft. Seine Artillerie ist zwar gut, ist jedoch ohne Ersatz für die vielen Ausfälle geblieben und es
mangelte ihr an Munition.
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- Unvergesslich jener Nachtmarsch in den ersten Maitagen über den Duklapass über die Karpathen. Neben uns die schäumende,
bald von weiten Weidenbüschen umstandene Jasiolda. Vollmondschein, kein Schuss weit und breit. Und um uns ununterbrochen,
stundenlang, Nachtigallensang in berauschender, alles übertönender Symphonie ohne Ende bis das Morgenrot diesen Liebestraum
versinken ließ. Man vergaß, im Krieg zu sein.
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- Aber schon beginnt am nun aufsteigenden 6. Mai der besonders schwere Kampftag um die Naphtahöhe, die uns den Asutritt aus
dem Gebirge verwehren sollte. Ende Mai erobern wir die galizische Festung Prezemysl. Beim Erkunden der Stellungen für meine
Batterien schleudert mich der Luftdruck einer schweren, aus der Festung kommenden, russischen Granate in eine sog.
Wolfsgrube. Einer der spitzen, scharfen Pfähle reißt mir ein Loch in die Stirn, doch kann ich bei meiner Truppe verbleiben. (23.
Mai 1915)
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- Anlässlich der Rückeroberung von Prezemysl wird mir der K.u.K. österreichische Militärverdienst-Orden mit der
Kriegsdekoration verliehen.
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- Juli 1915
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- Ende Juli erobern wir den Österreichern die schöne Stadt Lemberg zurück.
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- August 1915
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- Ende August fällt die starke Festung Brest-Bitowsk in unsere Hände, nachdem sie von den Russen vor ihrem Rückzug in ein
Flammenmeer verwandelt worden war, das so weit man sehen konnte, den umwölkten Nachthimmel blutrot färbte. Weiße Blitze
beleuchten jedes Mal taghell für Sekunden die Szenerie, wenn die Munitionsmagazine in der weiten Außenforts oder nahe der
Stadtumwallung, von den Russen angesteckt, in die Luft flogen.
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- Im Forts. I., in dessen Hof ich mit meinen Batteriechefs nach durchwachter Nacht eine kurze Rast im weiteren Vormarsch
einschalten kann, brennen noch alle elektrischen Lampen, im Samowar der Offiziersmesse dampft noch das Wasser, auf dem
Esstisch stehen noch halb gefüllte Schüsseln. Wie plötzlich muss der Befehl zur Räumung dieses die Übergänge über den Bug
schützen sollenden starken Werkes erteilt worden sein! Alle nicht unter Beton und Stahl aufgestellten Geschütze waren allerdings
in letzter Minute in den Wallgraben hinunter gestürzt worden.
- Hoch über der Stadt zog ein Zeppelin seine Kreise. Er erkundete. Er scheint uns einen Gruß aus der Heimat zu bringen.
- Immer weiter folgten wir den unablässig zurückweichenden Russen. Zuweilen konnte erst nach Mitternacht gerastet und
abgekocht werden.
- Mein Pferd bricht unter mir an Erschöpfung zusammen und verendet wenige Minuten darauf. Nur wenige Male trat uns schwerer
Wiederstand entgegen, doch häuften sich unsere Verluste in den unermesslich weiten Wäldern, die mit ihrem mit Rasen
bewachsenen Untergrund englischen Parkanlagen glichen.
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- September 1915
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- Schwierig gestaltete sich auch der Durchzug durch die Pripjet-Sümpfe, die nur auf den kilometerlangen, schnurgerade
hindurchführenden Strassen passiert werden konnten. Auf ihnen aber lag dauernd feindlicher, Verluste bringender Beschuss.
- Bis an die Städte Minsk und Pinsk und fast bis zum Narocs-See reicht die Kraft unseres am 2. Mai bei Gorlice erfolgten, erstmalig
frontal geführten Durchstoßes durch das sorgsam ausgebaute starke russische Stellungssystem.
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- Ende September wird es bereits empfindlich kalt. Ein erfolgreicher Sommer geht zu Ende. Nur viermal waren leichte Gewitter auf
uns herunter gegangen. Immer habe ich in meinem Zelt genächtigt. Die Gutshäuser und Schlösser waren stets von den Russen
angezündet gewesen und bis auf die Grundmauern ausgebrannt. Die Bauernhäuser, soweit sie nicht auch niedergebrannt waren,
steckten voller Ungeziefer.
- Die Armee Mackensen geht zum Stellungskampf über, in dem sie einen ruhigen Winter verbringt.
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- April 1916
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- Mieze siedelt mit den Kindern von Metz, wohin sie im November 1914 zurückkehrte, nach Bad Kreuznach über, weil die Angriffe
feindlicher Flieger sich steigern und Metz beschossen wird. Ein Blindgänger war dicht am Ausgang das botanischen Gartens
niedergegangen, dem unser Fräulein Martha ("Mume") mit Erhard und Helmut gerade eilends zustrebten.
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- August 1916
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- Ein neuer Abschnitt im Kriege beginnt für mich.
- Am 26. August 1916 bin ich zum Kommandeur des neu aufgestellten Felda. Rgts. Nr. 269 durch A.K.O. ernannt worden. Mein
Regiment gehört zur gleichfalls neu aufgestellten 211. Infanterie-Division. Sie untersteht dem General v. Lewinski. Während der
drei Wochen, die mir zur Formierung des aus den verschiedensten Gauen stammenden Regiments verbleiben, spreche ich mit
jedem Unteroffizier und Mann, sie eingehend über ihre häuslichen Verhältnisse und über ihre bisherige militärische Verwendung
befragend. Der Konnex war hierdurch sofort hergestellt und blieb er auch in und nach den Revolutionstagen bis Demobilmachung
am 5. Februar 1919, in Diepholz bei Bremen bestehen.
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- September 1916
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- Die Feuertaufe erhalten wir am 26. 9. 1916 bei Monchy, im Nordflügel der bereits langsam verklingenden Somme-Schlacht, nördl.
Bapaume, unweit von Arras. Die Leistungen meines 2 ¼ Jahre an der Westfront kämpfenden Regiments sind in der
Regimentsgeschichte festgelegt. Sie konnte nur durch die entscheidende Mithilfe der namentlich genannten Kameraden
herausgebracht werden. Meine den beiden Büchern vorangestellten Geleitworte drücken das besonders aus. (s. Bücherei des
Archivs)
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- Der ruhige Winter 1916/17 hierauf vor Soissone schließt mein Regiment durch Fronterfahrung, Dienst und Kameradschaft zu
einem Stahlharten Block zusammen.
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- März 1917
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- Nach dem genialen strategischen Rückmarsch hierauf im Frühjahr 1917 in die "Siegfried-Stellung" von Arras bis zum "chemin des
dames" mit nur leichteren Nachhutgefechten wird unserer 211. Division der ehrenvolle Auftrag, sich im Brennpunkt der zu
erwartenden Kämpfe, bei Laffaux, zum hartnäckigsten Widerstand bereit zu stellen. Die gesamte Westfront verläuft von der
Nordsee bis Laffaux in nördlicher Richtung. Hier schwenkt sie nach Osten zum "chemin des dames". Laffaux liegt mithin genau
im Scheitelpunkt der ganzen Westfront. Wir wissen, dass uns ein wichtiger Teil anvertraut ist.
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